In ihrer bahnbrechenden Arbeit aus dem Jahr 2003 sind Ancoli-Israel et al. zu dem Ergebnis gekommen, (1) dass mittels Aktigraphie gewonnene Informationen für die Auswertung sowohl von Schlafmustern und zirkadianem Rhythmus als auch der Wirkung von Therapien verlässlich sind. Aktigraphie liefert Informationen, die auf keine andere Weise gewonnen werden können, insbesondere von Personen, die mit geringerer Wahrscheinlichkeit Polysomnographie (PSG) – den Goldstandard für Schlafüberwachung – vertragen. Den vollständigen Text finden Sie hier.
Sadeh et al. (2) haben einen Übersichtsartikel verfasst, in dem die Ergebnisse des vorangegangenen Artikels aus dem Jahr 2002 auf den neuesten Stand gebracht werden. Die Verfasser kommen zu dem Ergebnis, dass Aktigraphie auf einzigartige Schlafmuster reagiert, die in Verbindung mit bestimmten Schlafstörungen und anderen medizinischen oder verhaltensneurologischen Störungen stehen. Die Korrelation von Aktigraphie und PSG ist bei gesunden Personen ohne Schlafstörungen am höchsten. Bei Personen mit Schlafstörungen ist die Korrelation hingegen niedriger und das Aktometer schätzt die Schlafdauer typischerweise als zu lang ein. Darüber hinaus reagiert das Aktometer auf Änderungen des Schlafes in Verbindung mit medikamentösen und nicht-medikamentösen Behandlungen. Den vollständigen Text finden Sie hier.
Die Mayo Clinic hat evidenzbasierte Empfehlungen für die Nutzung von Aktigraphie im klinischen Setting bei verschiedenen Patientenpopulationen veröffentlicht (3). Hierbei handelt es sich um einen Leitfaden für die sachgemäße Verwendung des Aktometers, sowohl als Diagnosetool bei der Beurteilung von Schlafstörungen als auch bei der Messung der Behandlungseffektivität im klinischen Setting. Eine der Schlussfolgerungen lautet, dass Aktigraphie indiziert ist für die Bestimmung von Schlafmustern und zirkadianen Mustern sowie für die Dokumentation von Behandlungserfolgen bei älteren Erwachsenen (einschließlich älterer Pflegeheimbewohner), bei denen sich herkömmliche Schlafüberwachungsmethoden schwierig gestalten.
Die American Academy of Sleep Medicine (AASM) hat eine Vergleichsstudie (Aktigraphie ggü. PSG) veröffentlicht, in deren Rahmen Probanden mit schlafbezogener Atmungsstörung beobachtet wurden (4). Hierbei kam man zu dem Ergebnis, dass Aktigraphie mit der PSG-Aufzeichnung nicht gleichzusetzen ist. Dennoch liefert sie gute Ergebnisse bezüglich der Schlaf-Wach-Muster und der Vorhersage verschiedener Schlafparameter. Dies ist auch bei Patienten mit Schlafapnoe-Syndrom, die nicht von weiteren Schlafstörungen betroffen sind, der Fall.
Die erforderliche Schlafdauer ändert sich mit dem Alter nur wenig. Der Schlaf wird jedoch leichter und fragmentiert mit wechselnder Qualität. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit für Schlafstörungen: Immerhin 40 bis 70 % der älteren Menschen sind bekanntermaßen zumindest zeitweise davon betroffen. Wenn die Fähigkeit, einen stabilen zirkadianen Rhythmus aufrechtzuerhalten, mit zunehmendem Alter sinkt, könnte die Messung des zirkadianen Rhythmus Hinweise zu Änderungen des Gesundheitszustandes von Patienten geben. Die physiologischen Prozesse des Alterns stehen mit dem Nucleus suprachiasmaticus (SCN) in Verbindung, der auch als biologische Uhr des Gehirns bekannt ist. Durch einen Mangel an Input könnte die Deaktivierung der Nervenzellen beschleunigt werden, die für die Erzeugung des 24-Stunden-Rhythmus verantwortlich sind. Die gute Nachricht ist, dass dieser Prozess scheinbar reversibel ist: Durch die Gabe von Stimuli, die auf den SCN einwirken, können diese Nervenzellen reaktiviert und Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus gemindert werden. (1,2)
Schlafprobleme sind einer der Faktoren, die dazu beitragen, dass viele Ältere Menschen in eine Pflegeeinrichtung umziehen müssen. Gleichzeitig verschlechtert sich der zirkadiane Rhythmus von älteren Menschen in Pflegeeinrichtungen tendenziell, insbesondere, wenn es sich um eine Umgebung handelt, in der tagsüber wenig Aktivität stattfindet. (3,4) Mittels Aktigraphie gemessener schlechter Schlaf ist in Zusammenhang mit einer schlechten körperlichen Funktion gebracht worden. Bezüglich dieses Phänomens sind jedoch nicht alle zugrundeliegenden Mechanismen bekannt (5). Auch bei älteren Demenzkranken steht die Intensität des zirkadianen Rhythmus in engem Zusammenhang mit ihrem funktionalen Zustand und Wohlbefinden (6). Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die aktive Unterstützung des zirkadianen Rhythmus älterer Menschen zu einer Verbesserung ihres allgemeinen Wohlbefindens führen und dabei helfen könnte, viele chronische Krankheiten im Gleichgewicht zu halten.
Eine Vielzahl an Unfällen von Menschen aller Altersgruppen geht nachweislich auf gestörten Schlaf zurück. Ein Beispiel, das häufig bei älteren Menschen auftritt, ist das nächtliche Erwachen und Umherwandern, was mit Hüftfrakturen in Verbindung gebracht wurde (7). Bedeutend viele Fällen ereignen sich üblicherweise nachts auf dem Weg zur Toilette. Die Nutzung von in Echtzeit gewonnenen Aktigraphiedaten könnte auch den Pflegekräften dabei helfen, einzugreifen, wenn diese feststellen, dass ihr Patient nachts aktiv ist.
Die Aufrechterhaltung einer gesunden körperlichen Aktivität und eines stabilen zirkadianen Rhythmus sind für die Rehabilitation von wesentlicher Bedeutung. Zu diesem Thema existieren bereits zahlreiche Studien. Im Folgenden wird zusammenfassend kurz auf einige Themen und Studien eingegangen, die im Hinblick auf Aktigraphie von Bedeutung sind.
Im Kontext der Rehabilitation älterer Menschen wurde erkannt, dass das Schlafen tagsüber, und folglich ein schwacher zirkadianer Rhythmus, für die funktionelle Genesung hinderlich ist (1). Weiterhin wurde die Rehabilitation nach einer Hüftfraktur untersucht (2) und festgestellt, dass eine erhöhte Tagesaktivität der Patienten nachweislich mit der Heilungsprognose korreliert. Die Aktigraphie wurde dabei als Hilfsmittel zur Bestimmung der Aktivität vorgeschlagen.
Patienten, die ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) erlitten hatten, berichteten häufig von Schlafproblemen und Müdigkeit. In eine Studie von Sinclair et al. (3) wurden verletzte und gesunde Personen einbezogen, deren Schlaf und Aktivität mithilfe von Schlaftagebüchern und Aktigraphie aufgezeichnet wurden. Es stellte sich heraus, dass bei SHT-Patienten die Diskrepanz zwischen den Berichten der Probanden und den mittels Aktigraphie aufgezeichneten Schlafdaten größer war. Daher wurde der Aktigraph als mögliches Instrument für die Nachverfolgung von Patienten, die ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten haben, vorgeschlagen.
Ein interessanter Ansatz zur Nachverfolgung der Rehabilitation von Schlaganfallpatienten wurde von Reiterer et al. vorgelegt. (4), die je ein Aktigraph am linken und rechten Handgelenk von Schlaganfallpatienten verwendeten, um deren Motorik zu überwachen. Die Messungen wurden in den ersten 6 Monaten nach dem Schlaganfall viermal durchgeführt. In Woche 1 – was dem Zeitraum entspricht, in dem die neurologischen Ausfälle am stärksten ausgeprägt waren – wurde eine signifikante positive Korrelation zwischen der mittels Aktigraph aufgezeichneten Motorik und den Ergebnissen der Scandinavian Stroke Scale, des Barthel-Index, der modifizierte Rankin-Skala und des Motricity-Index festgestellt. Die Forscher legen nahe, dass Aktigraphie ein nützliches Instrument für die objektive Beurteilung der Motorik nach einem Schlaganfall ist. Darüber hinaus werden durch Aktigraphie zusätzliche Aspekte erfasst, die von den in der klinischen Praxis gängigen Schlaganfall-Skalen nicht wiedergespiegelt werden.
Schmerzen beeinflussen den zirkadianen Rhythmus und können vom Aktigraph erkannt werden. Der Aktigraph zeigt in diesem Fall sowohl schlechten Schlaf als auch eine ungewöhnliche Kurvenform an. Für diesen Zusammenhang gibt es bis heute nur wenige wissenschaftliche Beweise. In den bisherigen Arbeiten zu diesem Thema wurden Patienten mit Krebs im fortgeschrittenen Stadium betrachtet. Dabei wurde festgestellt, dass Maßnahmen zur Verbesserung des Ruhe-Aktivitäts-Rhythmus dabei helfen könnten, den Umgang mit Schmerzen zu verbessern.
Bisher gibt es kaum wissenschaftliche Erkenntnisse zur Verwendung von Aktigraphie im Schmerzmanagement, jedoch existieren diesbezüglich bereits zahlreiche empirische Erfahrungen. So helfen gute Schmerzmittel Patienten dabei, besser zu schlafen. Dies hat wiederum direkten Einfluss auf den zirkadianen Rhythmus und die allgemeine Lebensqualität. Die Messung der Änderungen des zirkadianen Rhythmus könnten dem Arzt dabei helfen, für Schmerzpatienten die richtige Medikation und weitere Behandlungen auszuwählen und diese entsprechend anzupassen.
Auch bei Patienten mit Depressionen könnte der Aktigraph ein nützliches Instrument zur Überwachung des zirkadianen Rhythmus sein. Um dies zu belegen, gibt es jedoch noch nicht ausreichend wissenschaftliche Studien. Nachstehend ist ein Artikel zu ambulant behandelten Patienten mit Depressionen aufgeführt (1). Die Verfasser des Artikels beobachteten in der Studienpopulation ausgeprägte Störungen des Schlafs und der zirkadianen Ruhe-Aktivitäts-Rhythmen. Sie weisen auf den MESOR-Wert und fragmentierten Schlaf als mögliche Prädikatoren von Depressionen hin und befürworten Aktigraphie als mögliches Hilfsmittel bei der Diagnose von Depressionen.
Eine Studie (2) wurde mit 1.215 nicht depressiven Ärzten durchgeführt, die sich im ersten Jahr ihrer praktischen Ausbildung befanden. Ziel war es, herauszufinden, wie sich Schlafentzug und eine hohe Belastung auf die Stimmung der Probanden sowie deren Genauigkeit beim Arbeiten auswirken. Es wurden Aktigraphdaten zu Beginn der praktischen Ausbildung sowie nach jeweils 3 und 6 Monaten gesammelt. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass die Depressionsrate bei den Probanden am höchsten war, die sowohl von Schlafentzug als auch einer kurzen Schlafdauer betroffen waren. Bei Ärzten, die weniger als 6 Stunden pro Nacht geschlafen hatten, mehr als 70 Stunden pro Woche arbeiteten und akut oder chronisch depressiv waren, wurde von einer erhöhten Fehlerrate bei Behandlungen berichtet.
Änderungen von Schlaf, Tagesaktivität und zirkadianem Rhythmus treten bekanntermaßen auch bei bipolaren Störungen auf. Dies ist ein weitgehend erforschtes Phänomen. Aktigraphie wurde in der Diagnose und Behandlung von bipolaren Störungen überraschend selten verwendet. Zu diesem Thema sind noch weitere Studien erforderlich.
Depressionen, Demenz und physiologische Veränderungen tragen zur hohen Prävalenz von Schlafstörungen bei Patienten mit der Parkinson-Krankheit. Medikamente gegen die Parkinson-Krankheit spielen ebenfalls eine Rolle bei Schlaflosigkeit, indem sie die Tagesschläfrigkeit erhöhen und sich auf die motorischen Symptome und Depressionen auswirken. Polysomnographie oder Aktigraphie könnten in diesem Fall indiziert sein.
Der hohe Stellenwert von Aktigraphie bei der Erkennung von Bradykinese, Dyskinesie und Zittern sowie bei der Ermöglichung einer zeitnahen Verabreichung von Medikamenten gegen Parkinson-Krankheit werden als zukünftige Forschungsthemen vorgeschlagen.